Bauverein der Kirche am Hohenzollernplatz - Startseite

Kirche: Fenster

"Augen meine lieben Fensterlein, gebt mir schon so lange holden Schein." (Goethe)
 

Gedanken zu den Fenstern der Kirche Am Hohenzollernplatz

 

Zeichnungen Prof. Achim Freyer

Abbildung 1

Das Fenster ist eine Öffnung nach innen und nach außen. Es ist von innen offen für das Licht und für den Blick nach außen. Von außen gleicht es eher dem Auge, das schaut, aber nur schwer nach innen blicken lässt. Das Fenster ist Schutz gegen außen, Wind, Kälte, gegen Natureinflüsse. Es ist künstlich. Seine Art Öffnung ist verschlossen. Fenster haben die Form, die der Ausschauende sich als Weltbild machen will. Seine Weltsicht oder Weltanschauung wird durch die Betonung der Form, des Formats formuliert.

Unser Jahrhundert hat mit der Moderne in der Profanbaukunst das Querformat als Fensterform eingeführt, ein dem linearen Denken, der Geschwindigkeitsverehrung, dem Cinemascoperlebnis huldigendes Phänomen. Die Decken der Räume sind ökonomisch niedrig, der Blick durch die Fensteröffnung ist auf das Geschehen der Straße gerichtet, der Horizont ist zu hoch angesetzt, der darüberliegende Himmel der Urbanität ist schmal oder abwesend und mit ihm Gott.

Das abendländische Fenster war hochformatig. Das Fensterkreuz ist das Zeichen für die menschliche Gestalt und für den Gekreuzigten. Himmel und irdisches Sein sind dem Blick freigegeben, das Ausschauen ist sogleich ein Nach-innen-Schauen.

Die Idee, das Fenster als Auge zu begreifen, bestärkt mich, vom Ursprung dieser "Öffnung" als ein Rundes auszugehen.

Die Kreuzteilung in vier Gläser wird durch eine Verkörperlichung des Kreuzes zu einer Neunteiligkeit, wobei die vier äußeren Scheiben die Farbe des Lichtes, die fünf inneren eine körperliche Farbigkeit erhielten. (Abbildung 1, oben)

Die Übertragung in das hochformatige rechtwinkelige Grundfenster ist die Folge und somit die drei senkrecht verlaufenden Fensterbetonungen symbolische Dreigestalt darstellend. (Abbildung 1, oben)

So ist die Entwicklung zu den Fenstern der Kirche Am Hohenzollernplatz subjektiv nachvollziehbar. Trotz der Ideologie der Moderne hat der Architekt den sakralen Gedanken des hochformatigen Fensters sowie seine Dreiteiligkeit beibehalten.

Die ursprünglich ausgeführte Verglasung dieser Fenster bestand in der Idee, Verläufe von einer warmen bräunlichen, irdischen Farbigkeit unten zu einer lichten kalten, transzendenten Tönung nach oben zu schaffen, Erde und Himmel verbindend. Die Kirche Am Hohenzollernplatz ist eine Wegkirche. Erst beim Durchschreiten entwickelt sich die Abfolge der nicht als Ganzes wahrnehmbaren Fenster. Die gotisierende Architektur ist im Geiste der Kunstentwicklungen der 20er Jahre geschaffen. Die Erkenntnisse und Untersuchungen über Farbe und Licht aus dieser Zeit sind für die heutige farbliche Neugestaltung wesentlich geblieben. Der farbintensive, dunkle, türkisblaue Altarraum mit seinem von Siegmund Hahn entworfenen Hauptfenster aus den 50er Jahren fordert zu einer starkfarbigen, gegengewichtigen Lösung auf.

 

Fenster (Foto: Hohenzollerngemeinde)

Abbildung 2

Betritt der Besucher am Tage den Kirchraum, wird er einer Licht- und Schattenfensterseite gewahr. Vom Leben des Tages der Straße befangen folgt er einem warmen, lebendigen Farbverlauf der Fenster, der sich jeweils seitlich von ihm komplementär darstellt. Die obere Hälfte aller Fenster verläuft in kühlen Blaustufen, das Auge wird ruhig, das Blau verläuft über den Gesamtweg zum Altarraum vom rötlichen Blau zum Türkisblau des Altarraumes und verbindet sich so farblich mit ihm. Das Farbspektrum des Lichtes wird beim Durchschreiten des Raumes als Abfolge eines großen Doppelakkords erfahrbar. Im Zustand der Ruhe wird der Besucher vom Klang der sich gegenüberliegenden drei bis vier sichtbaren komplementärfarbenen Fenster umgeben. Er erlebt das Licht um sich als einen Farbkreis, dem Gedanken folgend, dass die Ganzheit des Seins sich durch das Licht offenbart.

Die Farben der Scheiben sind farbkräftig ohne Dunkelheit. Die Oberfläche ist körperhaft strukturiert, die Farbe malerisch verlaufend und substantiell. Die Fenster gehen eine leichte Verbindung mit dem sichtbaren Draußen ein, ohne eine gewisse Nacktheit und Ungeborgenheit zu erzeugen. Die 765 Scheiben der 23 Fenster sind mundgeblasenes, meist farbiges Glas mit einer in weichen, waagerecht betonten Verläufen handgemalten und dann eingeschmolzenen Farbstruktur.

So ist in neuer Gestalt das Högersche Fensterkonzept in unser Jahrzehnt übertragene Gegenwart und Zukunft geworden durch die himmlische Bewegung der aufstrebenden Bläue in Beziehung zum Altarraum und den uns umfließenden Farbkreis des irdischen Lebens. Und wirft der Raum sein Licht nach außen, wird der Geist des Lichtes die nächtliche Straße berühren.

Prof. Achim Freyer (aus: Gemeindebrief 6/1991)